Wasserkraft

Wasserkraft bezeichnet die Umwandlung kinetischer und potentieller Energie von Wasser in mechanische oder elektrische Energie. Die ursprüngliche Energiequelle für die Wasserkraft ist eingestrahlte Sonnenenergie, die über die Verdunstung den globalen Wasserkreislauf hervorruft. Etwa 80 % der zur Erdoberfläche gelangenden Wärmeenergie werden für die Verdunstung von Wasser verbraucht.

 

Globaler Wasserkreislauf

phys. Grundlagen

Wasser findet sich auf der Erde in vier großen Speichersystemen. Neben den Ozeanen (97,6 %) sind dies die Atmosphäre (0,001 %), die Eiskappen an den Polen (1,9 %) und das Festlandwasser (0,5 %). Letzteres ist weiter unterteilbar in Fließgewässer (0,0001 %), ruhende Gewässer (0,02 %), Grundwasser (0,5 %), Bodenfeuchtigkeit (0,01 %) und organisch gebundenes Wasser (0,004 %). Insgesamt beträgt die Wassermasse der Erde ca. 1,4 Mrd. km3.
Zwischen diesen Speichersystemen findet ein ständiger Austausch statt, der sowohl zeitlich als auch regional zu Ungleichgewichten führen kann, jedoch global einen stabilen Kreislauf darstellt. Für die Nutzung der Wasserkraft sind drei Vorgänge maßgeblich. Es sind dies die Verdunstung, der Niederschlag und der Wasserabfluß.
Global betrachtet entspricht die Verdunstung etwa dem Niederschlag in der Größenordnung von ca. 1.000 mm/a. Ein Anteil dieses Niederschlags geht nicht unmittelbar wieder über den Ozeanen sondern über dem Festland nieder, und hiervon gelangt wiederum ein Anteil zum Abfluß, entsprechend der Potentialdifferenz, die durch die Differenz der geodätischen Höhe ausgedrückt werden kann.

 

Energiepotential

Das für die Nutzung der Wasserkraft zur Verfügung stehende Energiepotential wird durch den Anteil der Niederschläge gebildet, die über Regionen niedergehen, die aufgrund ihres Reliefs und ihrer geodätischen Höhe den oberirdisch abfließenden Anteil der Niederschläge nutzen können.
Die erzeugbare Energiemenge hängt somit in erster Linie von der Abflußmenge und der Höhendifferenz ab. Andere Faktoren wie Wasserdichte und Erdbeschleunigung können in diesem Zusammenhang als konstante Werte betrachtet werden. Die Wasserabflußmengen von Gewässern werden für größere Gewässer im hydrologischen Jahrbuch veröffentlicht. Im Hydrographischen Amt können zum Beispiel die entsprechenden Meßwerte für die Autonome Provinz Bozen eingesehen werden. Der Nutzen eines Wasserkraftwerkes, die erzeugbare Energiemenge bzw. elektrische Leistung, läßt sich somit für jeden Standort aus Wassermengenstrom und Fallhöhe vorausberechnen.
Die Leistung entspricht dabei dem Produkt aus Wassermengenstrom (m3/s), Fallhöhe (m), Erdbeschleunigung (konstant=9,81), Dichte (konstant=1) und Gesamtwirkungsgrad der Anlage. Diese Leistung stellt zunächst die Bruttoleistung dar, von welcher noch der Eigenverbrauch der Anlage abgezogen werden muß. Der Wirkungsgrad ist je nach Anlagengröße mit ca. 70-80 % bezogen auf die Gesamtanlage anzusetzen (Turbinen-, Getriebe-, Generator,- und Transformatorenwirkungsgrad). Der Leistungsbereich von Wasserkraftwerken kann zur Zeit bis zu 12.000 MW liegen (Brasilien). In Europa ist die Wasserkraftnutzung weitgehend ausgebaut und leistet einen Beitrag zur Stromproduktion von ca. 4 % in Deutschland und ca. 90 % in Norwegen.

 

Turbinen

Die heute gebräuchlichen Wasserturbinen lassen sich in Überdruckturbinen (Kaplan-Turbine, Francis-Turbine) und Gleichdruckturbinen (Pelton-Turbine, Durchström-Turbine,Turgo-Turbine) einteilen.

Je nach zur Verfügung stehender Wassermenge und Fallhöhe eignet sich der eine oder andere Turbinentyp besser zur Nutzung der potentiellen Energie der Wasserkraft. Im nebenstehenden Diagramm sind die Bereiche angegeben, in denen die verschiedenen Turbinen zum Einsatz kommen. Auf der horizontalen Achse ist die Wassermenge aufgetragen, auf der vertikalen Achse die Fallhöhe.

Die Kaplan-Turbine wird meist bei geringen Fallhöhen (bis 50 m, max. 80 m) und großen Wassermengen eingesetzt. Die Wasserumlenkung wird vor Eintritt in das Schaufelrad durch feststehende regelbare Leitschaufeln vorgenommen, um den Anströmwinkel des Wassers auf die Laufschaufeln zu optimieren. Die tragflügelartigen Laufschaufeln können Durchmesser bis 6m aufweisen. Die Überdruckturbinen nutzen neben der kinetischen auch die potentielle Energie des strömenden Wassers. Das Teillastverhalten ist günstiger, bereits bei ca. 40 % der Nennleistung wird der maximale spezifische Wirkungsgrad erreicht.

Eine Sonderform der Kaplan-Turbine ist die Rohrturbine, die Generator und Turbine in einem Gehäuse im wasserführenden Rohr unterbringt. Der Einsatzbereich von Rohrturbinen liegt hauptsächlich bei Überflutungskraftwerken und Gezeitenkraftwerken.

Die Francis-Turbine wird meist bei Fallhöhen von 50 m bis 400 m (max. 600 m) eingesetzt. Die Wasserumlenkung wird innerhalb des Laufrades vorgenommen. Das Teillastverhalten ist ungünstiger als bei anderen Turbinen da das Laufrad nicht verstellbar ist, das Maximum des Wirkungsgrades liegt bei 70 bis 90 % der Nennleistung und ist ausgeprägt, d.h. der Wirkungsgrad fällt bei sinkender Nennleistung stark ab.

Die Pelton- (Freistrahl-) Turbine wird meist bei großen Fallhöhen (über 200 m, max. 2.000 m) eingesetzt. Das Wasser wird hier als freier Strahl tangential auf die Schaufeln (meist doppelte Becherreihe) geführt. Die Turbinenleistung kann über Düsen gesteuert werden. Es werden in Abhängigkeit des Volumenstroms 1 bis 6 Nadeldüsen eingesetzt. Sie wandeln die im strömenden Wasser noch enthaltene potentielle Energie in kinetische Energie um. Das Teillastverhalten ist sehr günstig, bereits bei ca. 30 % der Nennleistung wird der maximale spezifische Wirkungsgrad erreicht.

Die Wasserkraftschnecke wird vorteilhaft bei kleinen Fallhöhen (unter 4 m) eingesetzt. Der realisierbare Durchsatz hängt mit dem Schneckendurchmesser zusammen der üblicherweise im Bereich von 0,5 bis 4 m liegt. Sie ist sehr einfach und robust aufgebaut und damit fast wartungsfrei, ihr Einsatz ist auch bei stark verschmutztem Wasser noch möglich. Da nur ein Grobrechen benötigt wird, kann auf eine Rechenreinigungsanlage verzichtet werden. Die Wirkungsgrade bei Teillast sind günstiger als z.B. bei einer Francis- oder Kaplanturbinenanlage. Die Wasserkraftschnecke ist im Prinzip eine Schwerkraftsmaschine und keine Strömungsmaschine und wird deshalb auch nicht als Turbine bezeichnet.

Die Durchströmturbine wird bei geringen Fallhöhen mit geringem Volumenstrom eingesetzt. Das Prinzip entspricht dem von oberschlächtigen Wasserrädern, wobei jedoch auch eine Mehrfachbeaufschlagung der Schaufeln mit strömendem Wasser durch konstruktive Leitschaufelgestaltung möglich ist.

 

Kraftwerkstypen

Die Einteilung von Wasserkraftwerken in verschiedene Typen kann nach mehreren Kriterien vorgenommen werden. Einmal unterscheiden sich die Kraftwerke nach der Herkunft des Wassers in Laufwasserkraftwerke, Speicherkraftwerke und Pumpspeicherkraftwerke. Eine andere Unterteilung ergibt sich bei einer Unterscheidung nach dem Druckbereich (gefälleabhängig) in Niederdruckkraftwerke (bis 10 m Fallhöhe), Mitteldruckkraftwerke (10 bis 50 m Fallhöhe) und Hochdruckkraftwerke (über 50 m Fallhöhe). Schließlich lassen sich die Wasserkraftwerke auch nach der Bauweise einteilen in Hallenkraftwerke, Außenkrankraftwerke, Pfeilerkraftwerke, Kavernenkraftwerke und Überflutungskraftwerke.

Laufwasserkraftwerke arbeiten im Niederdruckbereich bis 10 m Fallhöhe.
Speicherkraftwerke arbeiten im Mittel- bis Hochdruckbereich bis 100 m (Mittel) oder 1800 m (Hoch) Fallhöhe. Sie sind besonders zur Abdeckung der Spitzenlast geeignet, da sie unabhängig vom Wasserzufluß sind und sehr kurzfristig einsatzbereit sind. Eine Sonderform stellt hier das Kavernenkraftwerk dar, welches in Hohlräumen eines Berges untergebracht wird und somit von außen nicht erkennbar ist (Skandinavien, Alpenländer).

Pumpspeicherkraftwerke dienen vor allem der Vergleichmäßigung der Stromverbrauchsschwankungen im Tagesverlauf. Das eingesetzte Wasser aus dem Speicher wird hinter den Turbinen nochmals aufgefangen und bei fallendem Stromverbrauch im Netz über eine Pumpenzuschaltung wieder in den oberen Speicher transportiert, wo es erneut den Turbinen zugeführt werden kann. Aufgrund der Komplexität und mehrfachen Wassertransports werden in Pumpspeicherkraftwerken nur Wirkungsgrade von ca. 70% erreicht.

Überflutungskraftwerke verfügen über Rohrturbinen, die unterhalb des Wasserspiegels angeordnet sind. Bei hohen Wasserständen ist das zugehörige Wehr überflutbar.

 

Anwendungsbereiche

Wasserkraft wurde früher über Wasserräder meist zur Verrichtung mechanischer Arbeit genutzt (Mühlen, Maschinen). Hierbei unterschied man zwischen oberschlächtigen (Schaufeln des Rades werden von oben mit Wasser gespeist) und unterschlächtigen (untere Schaufelspitzen hängen in fließendem Wasser) Wasserrädern.

Die heutige Nutzung erfolgt über Turbinen. Das Prinzip der Turbine ist dem von Pumpen vergleichbar, es sind lediglich Kraft und Wirkung in entgegengesetzter Richtung wirksam.
Einer der großen Vorteile der Wasserkraft liegt in seiner einfachen Speicherbarkeit. Durch Aufstauung oder durch Hochpumpen auf ein höheres Niveau (Pumpspeicherkraftwerke) ist die Wasserkraft nicht nur fast verlustfrei speicherbar, sondern auch sehr kurzfristig verfügbar und somit gut zur Deckung von Spitzenlastbedarf einsetzbar.

 

Aktuelle Entwicklungen

Die Wasserkraftnutzung ist eine sehr alte Technik, die als ausgereift zu bezeichnen ist. Dementsprechend existieren neue Entwicklungen nur in begrenztem Rahmen.
Eine relativ neue noch nicht in großtechnischem Maßstab eingesetzte Entwicklung stellt die Wasserkraftschnecke dar. Hierbei handelt es sich um eine Förderschnecke im offenen oder geschlossenen Trog, deren Vorteile in der einfachen Konstruktion (Serienprodukte), der langer Lebensdauer und Pumpfähigkeit von verschmutztem Wasser liegen. Der Anwendungsbereich ist bei Kleinstanlagen zu sehen bis max. ca. 200 kW hydraulische Leistung.
Andere Entwicklungen zielen auf die Steigerung der Wirtschaftlichkeit von kleinen Wasserturbinen durch Einsatz kompakter, standardisierter Kompletteinheiten. Sowohl die Bau- und Anlagekosten als auch die Bauzeit lassen sich dadurch reduzieren. Ein sehr interessantes Thema sind auch drehzahlvariable Turbinen zur Steigerung des Turbinenwirkungsgrades im Teillastbereich und die Möglichkeit einer einfacheren Regulierbarkeit (Durchsatz).
Insbesondere kleine Wasserkräfte rücken zunehmend in den Mittelpunkt des Interesses, wenn es um den Ausbau und die Reaktivierung der Wasserkraft geht. Gerade bei der Nutzung dieser oft recht kleinen Potentiale ist die Kosten-Nutzen-Kalkulation essentiell.



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